Der Seidenschwanz

Bombycilla garrulus

Wahrheit oder Legende?
Der Seidenschwanz als Überbringer unheilvoller Nachrichten

Schwarze Gesichtsmaske, eine markante Federhaube, die bei Erregung aufgerichtet wird, ein gelbes Band am Schwanz, rote Hornplättchen an den Flügelspitzen: Der Seidenschwanz mutet wie ein exotischer Vogel der Tropen an. Dabei ist er in den nördlichen Regionen, vorwiegend in den borealen Wäldern, verbreitet.

Die Federn an seinen Schwingenenden wirken im einfallenden Licht, als wären sie mit einer glänzenden Schicht aus Wachs überzogen. Daher heißt der Vogel im Englischen auch Waxwing, Wachsschwinge.

Im Sommer besteht die Nahrung des Seidenschwanzes überwiegend aus Insekten, die er von den obersten Baumwipfeln aus erjagt. Im Herbst erweitert sich seine Kost um reife Beeren, Hagebutten, Mistelfrüchte und hängengebliebenes Obst. Von der Größe her ähnelt der Seidenschwanz mit seinen rund 20 cm Länge den weit verbreiteten Starenvögeln (Sturnus vulgaris).

Auffälliger Seidenschwanz: Schwarze Gesichtsmaske & aufgerichtete Federhaube
Exotisch anmutender Vogel Bunte Flug- & Schwanzfedern, die auffällig schillern
Seidenschwänze in einer Eberesche Ein wärmendes Sonnenbad beim Schlemmen ist stets willkommen.

Ein Teilzieher — immer der Nahrung hinterher

Der Seidenschwanz gehört zu den Zugvögeln. Er wandert im Winter je nach Nahrungsangebot kurze oder lange Strecken südwärts. In Mitteleuropa ist der auffällige Vogel ein seltener Wintergast. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich bis nach Ostasien. In Skandinavien ist er hingegen das ganze Jahr über zu finden. Er brütet bevorzugt in strukturreichen, naturnahen Wäldern der kaltgemäßigten Zone.

Seinen Weg nach Süden oder in größere Städte sucht er als Teilzieher nur, wenn in harten Wintern kein Futter mehr zu finden ist. In Parks, Gärten und Waldgebieten Mitteleuropas finden sich dann in den Wintermonaten größere Trupps dieser Vögel ein. Sie wissen instinktiv, dass dort ihre bevorzugte Nahrung noch im Überfluss vorhanden ist. Vor allem die Beeren der Eberesche (Sorbus aucuparia), auch Vogelbeere genannt, haben es den Seidenschwänzen angetan. Trotz ihrer kompakten Körperform wissen die smarten Vögel akrobatisch noch so entlegene Früchte zu pflücken. Dabei balancieren und winden sie sich fantasievoll selbst in den feinsten Zweiglein eines Baumes.


Manchmal erscheinen Seidenschwänze zahm und verlieren ihre natürliche Scheu. Eigentlich kann der Organismus dieser Vögel in Obst enthaltenen Alkohol verstoffwechseln. Verspeisen Seidenschwänze jedoch zu viele vergorene Beeren, geraten sie in einen Rausch.

Woher kommt nun eigentlich der schlechte Ruf des Seidenschwanzes?

Früher wurde der Seidenschwanz auch als Pestvogel bezeichnet. So heißt er übrigens noch heutzutage in den Niederlanden. Doch auch in der Schweiz wird er „Sterbevögeli“ genannt.

Die antiquierten Bezeichnungen trägt der buntgefiederte, auffällige Seidenschwanz zu Unrecht. Die unheilvollen Namen stammen hauptsächlich aus mittelalterlichen Zeiten. Das unverhoffte Auftreten zahlreicher Seidenschwänze wurde zu dieser Zeit in Mitteleuropa als schlechtes Omen wahrgenommen. Die Präsenz der Vögel sahen die Menschen als ein Vorzeichen für Hungersnöte, Krieg oder gar die Pest.